Thursday, October 21, 2010

Einsichtsrecht in Krankenunterlagen

Sie werden in Ihrem täglichen Praxisbetrieb immer wieder mit dem Wunsch von Patienten, Erben oder sonstigen Dritten konfrontiert, in Krankenunterlagen eines Patienten Einsicht nehmen zu wollen.

In diesem Zusammenhang stellen sich verschiedene Fragen: Wer darf Einsicht nehmen? Wie weit reicht das Einsichtrecht? Kann ich dieses verwehren? Im Folgenden erhalten Sie einen kurzen Überblick zu den häufigsten Fallgestaltungen.

1. Wem gehören die Krankenunterlagen?

Vorab stellt sich bereits die Frage, wem die Krankenunterlagen gehören. Sie stehen im Eigentum des Arztes, der sie anfertigt. Die Krankenunterlagen dienen dabei nicht nur der gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentationspflicht, sondern auch der Gedächtnisstütze des Arztes, der Beweissicherung sowie möglichen Qualitätssicherungsmaßnahmen. Der Arzt kann mit seinem Eigentum frei verfahren. Begrenzt wird er dabei lediglich durch gesetzliche Regelungen. Dies sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Aufbewahrungspflicht und die ärztliche Schweigepflicht.

2. Der Patient selbst will Einsicht nehmen

Wenn die Krankenunterlagen aber Eigentum des Arztes sind, muss er dem Patienten dann Einsicht gewähren? Diese Frage ist eindeutig mit „ja" zu beantworten. Dies ist einerseits ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und andererseits auch in § 10 Abs. 2 der MBO für Ärzte bzw. § 12 Abs. 4 der MBO für Zahnärzte vorgeschrieben. Das Recht zur Einsichtnahme ergibt sich insbesondere aus dem Recht des Patienten auf Selbstbestimmung und personale Würde. Sie sind daher grundsätzlich verpflichtet dem Patienten in Ihren Praxisräumen die Einsichtnahme zu gewähren. Der Patient kann sich in Ihrer Praxis auf eigene Kosten auch Kopien anfertigen. Er hat jedoch kein Recht auf die Mitnahme der Originalunterlagen.

Grundsätzlich umfasst das Recht zur Einsichtnahme die gesamten Krankenunterlagen einschließlich sämtlicher angefertigten Notizen zum Krankheitsbild des Patienten und zur Person des Patienten selbst. Hierbei ist im Einzelfall eine Abwägung zwischen dem Recht des Patienten auf Selbstbestimmung und den Persönlichkeitsrechten des Arztes zu treffen, der ein Interesse daran hat, die Aufzeichnungen, die nur für ihn und nicht für den Patienten bestimmt sind, zu schwärzen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 09.01.2006 dem Recht des Patienten ein erhebliches Gewicht zugesprochen, so dass der Einsichtnahme in sämtliche Aufzeichnungen nur im begründeten Ausnahmefall widersprochen werden kann. Problematisch wird es insbesondere immer dann, wenn das Einsichtsrecht auf Ihr ärztliches Bedenken stößt. Dies kann der Fall bei noch nicht bestätigten Diagnosen zu schweren Krankheiten, der Gefahr von Depressionen und bei psychiatrischen Befunden sein. Auch in diesem Fall besteht grundsätzlich das Recht auf Einsichtnahme. Jedoch fließt in die Abwägung, ob die persönlichen Aufzeichnungen des „Therapeuten" offengelegt werden müssen, auch die Frage der möglichen ungünstigen Auswirkungen auf den Patienten mit ein.

Das Landgericht Bremen hat in einem Teilurteil vom 25.07.2008 einen Therapeuten verpflichtet, dem nachbehandelnden Arzt Einsichtnahme zu gewähren, damit dieser entscheidet, welche Informationen der Patient gefahrlos erhalten kann. Der vorbehandelnde Arzt durfte jedoch zuvor Aufzeichnungen schwärzen, die er nur für sich über den Patienten gemacht hatte und die auch auf seine eigene Persönlichkeit schließen ließen.

3. Einsichtnahme durch Dritte

Für den Fall, dass der Patient sein Einsichtsrecht an einen Dritten (Versicherungsgesellschaft, Rentenversicherer, behandelnder Arzt) vertraglich abtritt, gelten die obigen Ausführungen entsprechend.

So hat das Landgericht Duisburg mit Urteil vom 16.08.2007 entschieden, dass ein Arzt seiner Verpflichtung, dem Patienten bestmöglich Hilfe zu leisten, durch die Überlassung der Krankenunterlagen an einen weiterbehandelnden Fachkollegen ausreichend nachkommt. Sie sollten jedoch die Schweigepflichtentbindung des Patienten in jedem Fall sorgfältig überprüfen.

Ihre Pflicht zur Verschwiegenheit gilt im Übrigen auch gegenüber der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Auch hier gilt, dass die Herausgabe nur bei Vorliegen einer wirksamen Schweigepflichtentbindung verlangt werden kann. Andernfalls bedarf es eines Gerichtsbeschlusses, indem der mutmaßliche Wille des Patienten festgestellt wird.

4. Einsichtnahme durch die Erben

Der Einsichtnahmewunsch der Erben eines Patienten ist ebenso zu behandeln, wie die Einsichtnahme eines sonstigen Dritten. Bei einer vorliegenden Schweigepflichtentbindung sind Sie zur Gewährung der Einsichtsnahme verpflichtet.

Für den Fall, dass Ihnen ein Behandlungsfehler vorgeworfen wird, sollten Sie Einsicht gewähren, da von dem mutmaßlichen Einverständnis des Verstorbenen ausgegangen werden muss.

5. Einsichtsnahme durch MDK und Finanzbehörden

Gegenüber dem MDK sind Sie zur Übermittlung der angeforderten Daten gesetzlich (§ 275 SGB V) verpflichtet. Wichtig ist hier auf die Anforderung des MDK zu achten und nur die angeforderten Unterlagen herauszugeben. Werden nicht angeforderte Unterlagen mitübermittelt, stellt dies einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht dar.

Gegenüber den Finanzbehörden sind Sie aus Gründen des Gemeinwohls (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts) zur Offenlegung verpflichtet. Die ärztliche Schweigepflicht tritt hier zurück.

6. Fazit

Sie sollten sich bei Ihren Aufzeichnungen immer bewusst sein, dass die verschiedenen Einsichtnahmemöglichkeiten bestehen. Insbesondere bei der Fremdanamnese sollten Sie darauf hinweisen, dass der Patient möglicherweise Einsicht in die Aufzeichnungen nehmen könnte. Ob die Äußerungen der Verwandten/Freunde dann noch sinnvoll sind, ist allerdings die Frage

No comments:

Post a Comment